Für den April 2022 wird die Inflationsrate für Deutschland vom Statistischen Bundesamt mit 7,4% angegeben. In Griechenland steigt die Inflationsrate auf über 10%. Aus Zinsswaps oder Inflation-Linked Bonds lassen sich am Kapitalmarkt derzeit mittel- bis langfristige Inflationserwartungen i.H.v. 2–3% beobachten. Die vom Ifo-Institut befragten Ökonomen erwarten (Stand März 2022) eine durchschnittliche Inflationsrate von 4,4% (2022), 3,4% (2023) bzw. 2,8% (2026). Im Vergleich zum Zeitraum2008–2020mit sehr niedrigen und stabilen Inflationsraten sind seit der zweiten Jahreshälfte 2021 auch die mittel- bis langfristigen Inflationserwartungen angestiegen.
Inflationsbegründete Wachstumsabschläge in der ewigen Rente sind konsistent zu langfristigen Inflationserwartungen und den Thesaurierungserfordernissen zum Bewertungsstichtag herzuleiten. Eine unreflektierte Übernahme von den in den letzten Jahren verwendeten Wachstumsabschlägen ist nicht mehr sachgerecht. Der Stichtagswert der 30-jährigen Spot-Rate für deutsche Staatsanleihen ist Ende April 2022auf1,02%gestiegen. Damodaran schließt in seinem aktuellen Blogbeitrag vom 06.05.2022 „In Search of a Steady State: Inflation, Interest Rates and Value“ zur Rückkehr der tatsächlichen und erwarteten Inflation wie folgt: „The inflationgenie is out of the bottle, and if history is any guide, getting it back in is going to take time and create significant pain.“
Die Wirkung von Inflation und Inflationserwartung auf Unternehmenswerte ist komplex und betrifft sowohl den Zähler als auch den Nenner. Neben der Wirkung auf Kapitalmarktparameter sind bei Planungsrechnungen Preissteigerungsannahmen in den kurz-/ mittel-/langfristigen Absatz- und Kostenplanungen zu würdigen. In einem integrierten Planungsmodell sind auch die Rückwirkungen auf die Bilanzplanung und Kennzahlen zu beachten. Diesen Zusammenhang stellt auch Schwetzler in seinem Beitrag dar.
Eine einfach zu handhabende Bewertungstechnik zeigt insb. dann ihren Charme, wenn die Komplexität innerhalb und außerhalb des Bewertungsobjekts hoch ist. Steinbach würdigt in seinem Aufsatz den TCF-Ansatz als eine solche Bewertungstechnik. Moser/Tesche/ Klingel zeigen in Teil I ihres Beitrags wie ein Gesamtunternehmenszahlungsstrom auf mehrere Geschäftsbereiche und deren immaterielle Werte aufgeteilt werden kann und wie die Ableitung konsistenter Excess Earnings, insb. bei komplexen Unternehmensgruppen, deutlich vereinfacht werden kann.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe des BewertungsPraktikers. Andreas Creutzmann (Vorstandsvorsitzender EACVA) und Wolfgang Kniest (Geschäftsführer EACVA)
Bernhard Schwetzler
„Schock – Schluckauf – Verdauung“ – die Wirkung von inflationären Schocks auf den Unternehmenswert
Der Beitrag diskutiert die Wirkungen von geänderten Inflationserwartungen (als inflationärer Schock) auf den Wert eines Unternehmens. Dabei zeigt sich, dass in einer Übergangsphase Größen aus der Gewinn- und Verlustrechnung (EBIT, NOPAT) und relevante Cashflows (FCF) ganz unterschiedlich auf den inflationären Schock reagieren. Dies führt u.a. dazu, dass gestiegene Inflationserwartungen selbst bei 100%iger Überwälzung zu einer Reduktion des Unternehmenswerts führen.
Florian Steinbach
Der Total-Cashflow-Ansatz – das wohl intuitivste Bewertungsverfahren
Der TCF-Ansatz fristet trotz zahlreicher Vorteile gegenüber den anderen kapitalwertorientierten Bewertungsverfahren weiterhin ein Schattendasein in der Praxis der Unternehmensbewertung. Neben den bislang bereits in der Literatur herausgearbeiteten Vorteilen werden an dieser Stelle weitere, bisher noch nicht explizit erwähnte Vorteile des TCF-Ansatzes dargestellt. Diese zeigen zudem, dass der TCF-Ansatz das wahrscheinlich intuitivste Bewertungsverfahren darstellt. Ziel des Beitrags ist es, die Anwendung dieses intuitiven Ansatzes in der Praxis der Unternehmensbewertung weiter zu verbreiten.
Ulrich Moser/Thomas Tesche/Tobias Klingel
Anwendung der Multi-period Excess Earnings-Methode bei der Bewertung immaterieller
Vermögenswerte (Teil 1)
Die Multi-period Excess Earnings-Methode kommt bei der Bewertung immaterieller Vermögenswerte vielfach zur Anwendung. Allerdings erweist sich die Ableitung von Excess Earnings, die bezogen auf die Einkommensbeiträge aller anderen, in die Analyse einzubeziehenden Vermögenswerte konsistent sind, in der Bewertungspraxis - insb. bei Unternehmensgruppen - regelmäßig als komplex, arbeitsaufwendig und fehleranfällig. Im vorliegenden Beitrag wird ein Vorgehen vorgestellt, das die Ableitung konsistenter Excess Earnings, insb. bei komplexen Unternehmensgruppen, deutlich vereinfacht.
Andreas Emmert
Darstellung von unsicheren Reihen mittels „Fan Charts“
Die Darstellung von Zeitreihen mit zunehmender Unsicherheit gewinnen zunehmend an Bedeutung in der Unternehmensbewertung. Sog. "Fan Charts" können hier eine geeignete Form der Darstellung solcher Zeitreihen sein. Im vorliegenden Beitrag wird die Erstellung eines solchen Charts mit Microsoft Excel erläutert.