Im Missbrauchsrecht entwickeln sich die Erkenntnisse mit jedem Schritt weiter. Das gilt nun auch im Facebook-Fall. Das Bundeskartellamt hatte hier zunächst auf eine nähere Prüfung von Art. 102 AEUV verzichtet und stattdessen eine datenschutzrechtliche Prüfung vorgenommen, um auf dieser Basis einen Missbrauch nach deutschem Recht zu begründen. Zwischenzeitlich zeigt die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (zum Ausbeutungsmissbrauch) und des Bundesgerichtshofs (zu den Koppelungselementen) jedoch einen Weg auf, um die Datensammlung von Facebook nach Art. 102 AEUV in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs zu beurteilen. Mit Blick auf die Entwicklung unionsweit einheitlicher missbrauchsrechtlicher Standards und die Vorhersehbarkeit dieser Standards wäre zu wünschen, dass ein etwaiger Verstoß gegen Art. 102 AEUV im weiteren Verfahren näher geprüft wird.
Der Beitrag stellt die Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten in der Fusionskontrolle und bei der Prüfung des Kartellverbots durch Behörden dar. In der Fusionskontrolle haben diese Aspekte bisher keine Rolle gespielt. Grund dafür ist die wettbewerblich orientierte und auswirkungsbasierte Betrachtung. Lediglich messbare Effizienzen können Berücksichtigung finden. Ähnliches gilt für die Prüfung nach dem Kartellverbot. Auch dort kommen Umweltschutzaspekte allenfalls im Rahmen der Bewertung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. § 2 GWB zum Tragen. Die Literatur folgt der Einschätzung der Behörden. Zukünftig sollte mehr Rechtssicherheit geschaffen werden, wie Umweltschutzaspekte wettbewerbskonform berücksichtigt werden können.
Amazon soll während der Corona-Krise Händler wegen überhöhter Angebotspreise vom Amazon Marketplace ausgeschlossen haben. Beschwerden der Händler riefen das Bundeskartellamt auf den Plan. Wenngleich noch nicht formell festgestellt, dürfte Amazon Marketplace den relevanten Markt beherrschen oder zumindest relativ marktmächtig i. S. von § 20 Abs. 1 Satz 1 GWB sein. Die Sperrung von Händler-Accounts kann daher grundsätzlich einen Behinderungsmissbrauch darstellen. Doch ein Dulden überhöhter Preise wäre wegen einer möglichen Haftung Amazons aus Preisrecht und Nachteilen aus unwirksamen Verträgen keine zumutbare Alternative. Bei solchen Konflikten kann nicht dem Unternehmen die Priorisierung der Pflichten auferlegt werden; das Sperren kann nicht „unbillig“ i. S. von § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB sein.
In seinem Urteil vom 23.09.2020 zum Schienenkartell (Schienenkartell V) hat sich der BGH dafür ausgesprochen, den Einwand der Schadensweiterleitung (Passing-on Defense) jedenfalls in denjenigen Fällen nicht zuzulassen, in denen die mittelbaren Abnehmer ihre Schäden nicht geltend machen; eine daraus resultierende Überkompensation des unmittelbaren Abnehmers nimmt der BGH im Interesse der Prävention bewusst hin. Die Zurückhaltung gegenüber der Anerkennung der Passing-on Defense folgt nicht nur der bisherigen Rechtsprechung des BGH, die schon im ORWI-Urteil aus dem Jahr 2011 begründet worden ist; mit der Betonung des Präventionsgedankens liegt der BGH auch ganz auf der Linie des europäischen Gerichtshofs (vgl. zuletzt Urteil vom 12.12.2019 – Otis).
Das „Schienenkartell II“-Urteil hat zu einem weiteren Bedeutungsgewinn für die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO im Kartellschadensersatzrecht geführt. Was das einschlägige Beweismaß angeht, bestehen indes Unsicherheiten. Der BGH-Kartellsenat fordert eine „deutlich“ überwiegende Wahrscheinlichkeit, andere lassen schon das bloße Überwiegen genügen oder differenzieren zwischen „Ob“ und Höhe des Schadens. Der Beitrag zeigt, dass grundsätzlich eine einheitliche Festlegung des Beweismaßes auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit sachgerecht ist. Im Kartellschadensersatzrecht sollten allerdings an den Nachweis der Kausalität höhere Anforderungen gestellt werden, um dem „Abstandsgebot“ gerecht zu werden, das in den gesetzlichen Vermutungen der §§ 33a Abs. 2, 33c Abs. 2 GWB zum Ausdruck kommt.
Der Beitrag berichtet über die Ergebnisse der bisher einzigen abgeschlossenen zivilrechtlichen Schadensersatzverfahren wegen nach § 19 GWB verbotenen Preishöhenmissbrauchs in den Fällen Berliner Wasser und Wasserpreise Mainz. Obwohl die Kläger im ersten Fall ganz und im zweiten Fall weitgehend erfolgreich waren, machen die damit durchgesetzten Beträge nur einen verschwindend geringen Teil des von den Kartellbehörden in den vorangegangenen Verwaltungsverfahren geschätzten gesamten Rückerstattungspotenzials aus. Wegen dieser ernüchternden Gesamtbilanz des Zivilrechtsschutzes ist es umso wichtiger, dass die Kartellbehörden in ihre Entscheidungen nach § 32 GWB und in die mit Versorgern vereinbarten Vergleiche über Preis- und Erlössenkungen stets auch Regelungen über die Rückerstattung bereits geleisteter Überzahlungen an die Kunden einbeziehen.