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KlimaRZ Ausgabe 6/2022

Behördlich kontrollierte Klimaplan-Pflicht für Unternehmen: Die geplante CSDD-Richtlinie der EU

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Seitenanzahl: 36
ISSN: 2748-1999
Ausgabe: 6
Jahrgang: 2022
Erscheinungstermin: 15. Oktober 2022
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Behördlich kontrollierte Klimaplan-Pflicht für Unternehmen: Die geplante CSDD-Richtlinie der EU

 

Bislang gab es nur lose Berührungspunkte zwischen dem Lieferkettenrecht und dem Klimarecht, weil das zum 01.01.2023 in Kraft tretende Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (LkSG) zwar auch „umweltbezogene Risiken“ (§ 2 Abs. 3 LkSG) betrifft, aber keine Vorgaben zur Treibhausgasemission bzw. zu spezifisch klimabezogenen Risiken enthält. Das wird sich ändern, wenn der von der Kommission der EU am 23.02.2022 vorgelegte Vorschlag für eine Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD; COM (2022), 71 final) verabschiedet und sodann auch von der Bundesrepublik umzusetzen sein wird.

 

Strukturell vergleichbar mit dem LkSG werden hierdurch verschiedene organisationsbezogene Pflichten als Teilelemente der in Art. 4 des Richtlinienvorschlags zugrunde gelegten Sorgfaltspflicht in der Lieferkette konstituiert. Sie betreffen ein Risikomanagement (Art. 5 CSDDD), eine Risikoanalyse (Art. 6 CSDDD), Präventionsmaßnahmen zwecks Vermeidung potenzieller negativer Auswirkungen (Art. 7 CSDDD), Abhilfemaßnahmen zur Behebung tatsächlicher negativer Auswirkungen (Art. 8 CSDDD) und ein Beschwerdeverfahren (ebenfalls Art. 8 CSDDD). Im Unterschied zum LkSG sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Unternehmen für Schäden haften müssen, wenn sie die geregelten organisationsbezogenen Pflichten zur Vermeidung potenzieller negativer Auswirkungen und zur Behebung tatsächlicher negativer Auswirkungen verletzt haben und als Folge dieses Versäumnisses negative Auswirkungen eingetreten sind (Art. 22 CSDDD). All das ist (insofern vergleichbar mit dem LkSG) sowohl auf die „eigenen Tätigkeiten“ der Unternehmen bezogen (Art. 1 Abs. 1 Buchst. a)) als auch auf Tätigkeiten im Inland (vgl. Erwägungsgrund 14 ff.).

 

Wie schon das LkSG sieht auch der Richtlinienvorschlag ein Public Enforcement in dem Sinne vor, dass einer noch zu bestimmenden nationalen „Aufsichtsbehörde“ (vgl. Art. 17 CSDDD) mehrere, in den Art. 18 ff. zugrunde gelegte Aufsichtsbefugnisse einzuräumen sind; es ist davon auszugehen, dass in Deutschland hiermit wiederum das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) betraut würde. Diese Befugnisse reichen von Auskunftsverlangen, Ermittlungs- und Kontrollmaßnahmen einschließlich Betretensrechten, und sie können/müssen in Verwaltungsakte zur Beendigung von Verstößen bzw. zur Abhilfe von festgestellten Verstößen münden. Bemerkenswert ist die Erweiterung der Sanktionen dahingehend, dass jede verhängte Sanktion zu veröffentlichen ist (sog. naming and shaming; vgl. Art. 20 Abs. 4 CSDDD) und dass Unternehmen, bei denen ein Verstoß festgestellt wurde, nicht nur von öffentlichen Aufträgen (wie nach § 22 LkSG), sondern auch von Fördermaßnahmen (vgl. Art. 24 CSDDD) i.S.v. Wirtschaftssubventionen ausgeschlossen sein sollen. Hinsichtlich der zu schaffenden Bußgeldbestimmungen beschränkt sich der Richtlinienvorschlag nicht auf die sonst übliche Formulierung, dass Sanktionen „effektiv, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen (insoweit auch Art. 20 Abs. 1 Satz 2 CSDDD), sondern gibt explizit vor, dass Bußgelder „umsatzbezogen“ kalkuliert werden müssen und (wie bereits erwähnt) überdies veröffentlicht werden sollen (Art. 20 Abs. 3, 4 CSDDD). Die Einhaltung der Sorgfaltspflichten wird also durch eine privatrechtliche Haftung im Verbund mit stringenten verwaltungsrechtlichen Pflichten (der Unternehmen) respektive Eingriffsbefugnissen (der zuständigen Behörde) sichergestellt.

 

Nun wird es für den Klimaschutz spannend: Denn der Richtlinienvorschlag gestaltet nicht „nur“ Sorgfaltspflichten in der sowieso bereits weit strapazierten Lieferkette aus. Vielmehr enthält er darüber hinaus unmittelbar organisationsbezogene ESG-Pflichten. So normiert Art. 15 Abs. 1 CSDDD eine Pflicht zur (teilweisen) Ausrichtung der Geschäftsorganisation zwecks Beachtung des öffentlichen Interesses der „Eindämmung des Klimawandels“ (entsprechend den Zielen nach dem Pariser Übereinkommen). Konkret werden die Unternehmen zur Festlegung eines „Plans“ verpflichtet, mit dem sie sicherstellen, „dass das Geschäftsmodell und die Strategie des Unternehmens mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft ... vereinbar“ ist. In diesem Plan soll „insbesondere ... ermittelt (werden), inwieweit der Klimawandel ein Risiko für die Unternehmenstätigkeit darstellt bzw. sich darauf auswirkt.“ In der Sache geht es darum zu untersuchen, ob das Unternehmen Klimarisiken ausgesetzt ist oder selbst solche verursacht. Hierbei handelt es sich schon nicht mehr um eine zwingend innerhalb des gesellschaftsrechtlichen Rahmens umzusetzende Pflicht. Vielmehr könnte der deutsche Umsetzungsgesetzgeber auch erwägen, sie (ähnlich wie aus dem Regulierungsrecht bekannt) unmittelbar öffentlich-rechtlich vorzugeben. In beiden Fällen würden jedenfalls gem. Art. 17 Abs. 1 CSDDD die verwaltungsverfahrensrechtlichen Pflichten gegenüber der zuständigen Behörde und deren beeindruckendes Befugnisse-Arsenal (das sog. Public Enforcement) einsetzen.

 

In Art. 15 Abs. 2 CSDDD wird diese organisationsbezogene Pflicht zur Aufstellung eines Plans dahingehend präzisiert, dass dann, wenn der Klimawandel als ein „Hauptrisiko oder eine Hauptauswirkung der Unternehmenstätigkeit“ ermittelt wurde, die Unternehmen „Emissionsreduktionsziele“ in ihren Plan aufnehmen müssen. Durch die Kombination der beiden ersten Absätze des Art. 15 CSDDD werden die Unternehmen letztlich in das gleiche Pflichtenprogramm eingebunden, wie die meisten Staaten es in Umsetzung der internationalen Klimaabkommen für den öffentlichen Sektor normiert haben (die Bundesrepublik Deutschland z.B. in §§ 3 ff., 9 Bundes-Klimaschutzgesetz). Auch zur Durchsetzung der Pflicht nach Art. 15 Abs. 2 CSDDD sieht Art. 17 Abs. 1 CSDDD das Public Enforcement vor.

 

In Art. 15 Abs. 3 CSDDD erfolgt schließlich eine (gesellschaftsrechtliche) Verknüpfung mit der „Festlegung variabler Vergütungen“ der Mitglieder der Unternehmensleitung. Diese sollen sich auch an der Erfüllung der Verpflichtungen des Unternehmens nach Art. 15 Abs. 1, 2 CSDDD orientieren, und zwar dann, „wenn die variable Vergütung an den Beitrag eines Mitglieds der Unternehmensleitung zur Strategie und zu den langfristigen Interessen und zur Nachhaltigkeit des Unternehmens geknüpft ist.“ Obgleich mit „Sorgfaltspflicht der Mitglieder der Unternehmensleitung“ überschrieben, gibt es schließlich mit Art. 25 CSDDD eine weitere, jenseits der Sorgfaltspflicht für die Lieferkette und d.h. allgemein unternehmensbezogene Organisationspflichten begründende Vorgabe. Danach sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Mitglieder der Unternehmensleitung „die kurz‑, mittel- und langfristigen Folgen ihrer Entscheidungen für Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen, ggf. auch die Folgen für Menschenrechte, Klimawandel und Umwelt.“ In Verbindung mit Erwägungsgrund 63 Satz 2 wird dies näher dahingehend erläutert, dass eine „systematische Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei Unternehmensentscheidungen“ gefordert sei. Diese beiden letzteren Pflichten liegen immerhin außerhalb des Public Enforcement.

 

Der CSDD-Richtlinienvorschlag steht im Gesamtkontext einer (auch international; vgl. Nietsch, KlimaRZ 2022 S. 22) konsequent ausgebauten „Nachhaltigkeits-Governance“ (Stichworte: Taxonomie, Nachhaltigkeits-Berichterstattung). Er würde eine signifikant verstärkte Indienstnahme des Gesellschaftsrechts für Gemeinwohlzwecke bedeuten, und zwar im Verbund mit einem seinerseits ausgebauten verwaltungsrechtlichen Durchsetzungsmechanismus. Die in den Anwendungsbereich dieses Vorschlags fallenden (bereits mittelgrößeren) Unternehmen müssen sich frühzeitig hierauf vorbereiten. Der EU- wie der Umsetzungsgesetzgeber wiederum muss darauf achten, dass die unternehmerische Organisationsautonomie keinen substanziellen Schaden nimmt. Rechtliche Grenzen im höherrangigen Recht wären der Verwirklichung dieses Vorhaben spätestens dann gezogen, wenn die Programmierung unternehmerischer Entscheidungen nach Art und Vielfalt der betroffenen Belange und Intensität der Durchsetzungsmechanismen ein bislang der Programmierung der staatlichen Entscheidungstätigkeit vorbehaltenes Niveau erreichen würde. Die Vorstellung, dass Staat und Privatunternehmen in gleicher Weise und Intensität für die Verwirklichung des Gemeinwohls (und damit auch von Nachhaltigkeitszielen) verantwortlich sein sollen, entspricht nicht dem Grundverständnis der europäischen Wirtschaftsgrundrechte und der Art. 12, 14 GG. Diese aber bilden die Grundlage für die gerade im Interesse des Klimaschutzes so dringend benötigte Innovations- und Transformationskraft der Unternehmen, die das BVerfG in seinem Klimabeschluss vom 24.03.2021 ausdrücklich bekräftigt (BVerfG vom 24.03.2021 – 1 BvR 2656/18 u.a., Rn. 249; vertiefend Burgi, NVwZ 2021 S. 1401).

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