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KlimaRZ Ausgabe 3-4/2022

Klimaschutz durch European Sustainability Reporting Standards

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Seitenanzahl: 36
ISSN: 2748-1999
Ausgabe: 3-4
Jahrgang: 2022
Erscheinungstermin: 15. Juli 2022
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Klimaschutz durch European Sustainability Reporting Standards

 

Die Regulierung zum Schutz des Klimas nimmt verstärkt auch die Unternehmen in die Pflicht. Politisch gewollt ist nicht weniger als eine „grüne Transformation“ der Wirtschaft. Das trifft den Nerv vieler Stakeholder (Kunden, Arbeitnehmer, Kapitalgeber usw.).

 

An der Legitimation der Bewegung ist kaum ein Zweifel erlaubt. Besonders die EU sieht sich als „Speerspitze“ und ersinnt allerlei Regulierungsideen. Sie reichen von neuen Berichtspflichten mit einem erweiterten Anwendungsbereich (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) über „grüne“ Rahmenbedingungen für die Lenkung von Finanzströmen (durch die Sustainable Finance Disclosure Regulation [SFDR] und die EU Sustainable Finance Taxonomie) bis hin zur Normierung besonderer Sorgfaltspflichten in Konzernen und entlang der Lieferketten (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDD). Der Ansatz, durch Berichtspflichten Verhaltensänderungen anzustoßen („nudging approach“), hat in den Unternehmen tatsächlich viel bewegt.

 

Dass sich auch die Unternehmen ihrer Verantwortung für den Klimawandel stellen und ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen, dürfte in der Tat außer Zweifel stehen. Rechtspolitisch fraglich ist nicht das Ob, sondern allein das Wie der unternehmensrechtlichen Regulierung mit dem Ziel des Klimaschutzes.

 

Insoweit geben allerdings drei Kennzeichen der jüngeren „grünen Regulierung“ Anlass zur Sorge: Die Vorschläge sind in Teilen sachlich und zeitlich überambitioniert, zu detailverliebt und bürokratiegläubig.

 

Der Entwurf für eine CSRD beispielsweise ist von perfektionistischem Gutmeinen geprägt. Auf der Grundlage dieser Richtlinie soll die Kommission im Wege delegierter Rechtsakte in kürzester Zeit detaillierte „tailored European Sustainability Reporting Standards“ (ESRS) erlassen. Dabei will sich die EU auch nicht etwa zunächst auf Klimaaspekte beschränken, sondern gleich die ganze ESG-Trias (Environment, Social, Governance) regeln. Mittlerweile liegt ein Paket von Entwürfen für 17 ESRS vor, von „General Principles“ (ESRS 1) und „General Strategy, Governance and Materiality Assessment, Disclosure Requirements“ (ESRS 2) über „Climate Change“ (ESRS E1), „Pollution“ (ESRS E2), „Own Workforce“ (ESRS S1-4), „Workers in the Value Chain“ (ESRS S5) bis hin zu „Governance, Risk Management & Internal Control“ (ESRS G1). Gefordert werden mehr als 200 Angaben, die ca. 1.000 Datenpunkte benötigen.

 

Allein durch diese Berichtspflichten werden Hunderte zusätzliche Seiten im Lagebericht der Unternehmen von hoher Komplexität kreiert. Ob diese Informationsflut förderlich ist und ob hier Kosten und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis stehen, mag man bezweifeln. Zudem ist das Projekt zeitlich überambitioniert. Die ersten Entwürfe liegen seit April 2022 vor. Bereits zum 31.10.2022 sollen die ersten finalen Standards als delegierte Rechtsakte erlassen sein. In so kurzer Zeit ist ein intensiver rechtspolitischer Diskurs des umfangreichen Regelwerks kaum möglich. Aus rechtswissenschaftlicher Sicht ist zudem problematisch, dass die Regeln für das EU Sustainability Reporting nach dem Vorbild des Financial Reporting im Wege der detaillierten „Standardsetzung“ (statt der herkömmlichen abstrakt-generellen Gesetzgebung) erlassen werden sollen. Erneut wirken zwei Strömungen auf die Rechtsentwicklung: Erstens fordern viele Akteure, darunter Geschäftsleiter, Aufsichtsräte und Stakeholder, eine externe inhaltliche Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Davon verspricht man sich eine erhöhte Verlässlichkeit (Assurance). Die politisch exzellent vernetzte Branche der Wirtschaftsprüfer steht gern bereit. Prüfbarkeit setzt aber eine hinreichende Konkretisierung des Sollobjekts voraus, was sich als Argument für mehr Detailregeln anführen lässt. Zweitens sehnen sich viele Rechtsanwender nach möglichst eingehender Orientierungshilfe, auch zur Absicherung gegen Haftungsrisiken. Regulierung durch detaillierte Standards führt indessen zu hoher Komplexität, zu zunehmender Bürokratisierung der Unternehmen und letztlich zum Verlust von Freiheitsgraden. Die Gewinner sind einmal mehr die Beratungs- und Prüfungsgesellschaften. Es ist eine Ironie der (EU-)Gesetzgebung, dass sie jenen am meisten nützt, deren Oligopol sie vorgibt aufbrechen zu wollen.

 

Zudem finden parallel Standardisierungsprozesse auf internationaler Ebene statt. So arbeitet auch der International Sustainability Standards Board (ISSB) an globalen Standards für die Nachhaltigkeitsberichte. Sogar die US-amerikanische SEC wird mittlerweile einschlägig aktiv. All das erhöht die Komplexität und die Unsicherheiten für die Anwender weiter.

 

Last but not least ist im Bereich der CSDD und der nationalen Lieferketten-Regulierung ebenfalls eine zunehmende Bürokratisierung der unternehmerischen Tätigkeit angelegt. Über die Einhaltung der Sorgfaltspflichten sollen Behörden wachen, in Deutschland das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA, §§ 12 ff., 24 LkSG). Die dahinterstehende Bürokratiegläubigkeit entspricht zwar dem Zeitgeist, hinterlässt aber ein deutliches Unbehagen.

 

Die skizzierten Regulierungen sind gut gemeint. Sie sind in der Grundrichtung auch richtig. Aber: Weniger wäre mehr. Die Anpassung an den Klimawandel wird nur gelingen, wenn die Menschen in den Unternehmen überzeugt und mitgenommen werden und Freiheitsgrade für Innovationen verbleiben. Nicht mehr Bürokratie und Informationsüberflutung, sondern auf das Wesentliche konzentrierte Berichte und dadurch angestoßene grundlegende Veränderungen sind die Schlüssel zur Bewältigung der Klimakrise. Für die (europäische) Rechtsentwicklung wäre es ebenfalls wünschenswert, wenn die für die Praxis wichtigen Regeln vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber normiert würden. Den Erlass von ESRS im Wege der delegierten Rechtsakte der Kommission zu übertragen, die sie ihrerseits an private Standardsetter outsourct, ist rechtsstaatlich und demokratietheoretisch fragwürdig.

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