„Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr!“ Wie in jeder Redensart steckt in dieser durchaus Lebenserfahrung. Die man auf Führungskräfte übertragen kann. Noch nie war es leichter, Chefin oder Chef zu werden. Auch deshalb, weil sich immer weniger den Stress mit „individuellen Fantasien“ der Mitarbeitenden und als „systemisches Sandwich“ des Unternehmens antun möchten.
Zurück zur Erziehung: Stellen Sie sich eine Szene vor, in der ein Vater oder eine Mutter ein dreijähriges Kind dazu bringen will, zügig in den Radanhänger zu steigen. Dafür gibt es zwei mögliche Aufforderungssätze: „Hannah, jetzt setz dich halt rein!“ „Noah, wir könnten gleich an der Eisdiele sein, wenn du dich bitte mal bald reinsetzt?!“ Die zweite Option macht das kindliche Verhalten verhandelbar und ermöglicht eine Verzögerung oder sogar ein trotziges „Nein!“ Erst recht bei weniger attraktiven Verlockungen.
Nun wieder zur Führung: Die populäre transformationale Führungstheorie meint, dass man eher Aufforderungen vom Typus zwei nutzen sollte. Im Zeitalter des Coachens und der Partizipation womöglich sogar zur bloßen Handlungsoption abgemildert: „Philipp, könntest du dir vielleicht vorstellen, morgen pünktlich zum Schichtbeginn hier zu sein?“ Wohin das bei manchen Mitarbeitenden führt (oder eben nicht), kann man sich denken. Solche „Einladungen“ sind weit weg vom klaren Verlangen, das in zahlreichen Businesssituation keinen Spielraum für eine Ablehnung zulässt. Bei vielen Aufgaben hat die Beliebigkeit ihre organisatorischen Grenzen.
Ganz klar: Führungskräfte sind keine sorgenden Eltern und Mitarbeitende keine unreifen Kinder. Im heutigen Business braucht man mündige Problemlöser und echte Mitdenkerinnen. Aber wenn und weil Führung situativ auszurichten ist, sollten gestaltende Business Leader wissen, welcher der beiden Aufforderungstypen besser passt. Denn durch zu viel Einbindung geht schon mal die Zielsetzung flöten – und die Achtung ist futsch. Das lernen bereits Hannah und Noah. Übrigens werden sie später im Leben auch noch die Erfahrung machen, dass Respekt durch Handeln erworben und nicht durch Titel verliehen wird.