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KlimaRZ Ausgabe 7-8/2023

Gute Projekte sollte man nicht verheizen!

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Seitenanzahl: 36
ISSN: 2748-1999
Ausgabe: 7/8
Jahrgang: 2023
Erscheinungstermin: 15. Juli 2023
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Gute Projekte sollte man nicht verheizen!

 

Die „Ampel“-Koalition ist den Vorschlägen der Grünen gefolgt und hat einen Gesetzentwurf zu einem Gebäudeenergiegesetz (GEG) vorgelegt. Dies geschah in großer Hast. Die Äußerungsfrist für die Verbände lief am Donnerstag ab und am darauffolgenden Dienstag kursierte bereits der endgültige Entwurf in Berlin – ohne jegliche Änderung. Die darin vorgesehene Pflicht für jeden Hausbesitzer, ab Anfang 2024 nur noch Heizungen aufzustellen, die mit mindestens 65% erneuerbaren Energien gespeist werden, wurde zwar durch die Erlaubnis, im Interim über drei Jahre noch eine Heizung alten Stils zu betreiben, gemildert; letztlich bürdet der Entwurf jedem Besitzer aber eine erhebliche monetäre Last ohne Rücksicht auf seine finanziellen Verhältnisse auf. Auch dürften die Initianten dieses Entwurfs die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben, weil sie weder die beschränkten, personellen Fachkapazitäten des Handwerks noch die begrenzten Produktionsressourcen der Heizungshersteller berücksichtigt haben. Man wollte mit dem Kopf durch die Wand – und ist auf Granit gestoßen. Das Aufbegehren in der Bevölkerung und die Proteste der beteiligten Branchen führten zum jähen Stopp des Projekts. So ist eine gute Idee aus Ungeschick und Insensibilität verheizt worden. Wo liegen die Ursachen dieses legislativen Unfalls? Das Klimaschutzziel des Gebäudeenergiegesetzes richtet sich konsequent an den Zusagen des Pariser Klimaschutzabkommens und seiner nationalen Umsetzungsnormen aus; am Gesetzeszweck ist mithin nichts zu beanstanden. Vielmehr führte die Art und Weise seiner Implementation zum Scheitern des Gesetzentwurfs. Er war von dem ausschließlichen Motiv getragen, die privaten Haushalte klimaneutral zu gestalten; Gegenerwägungen sozialer, ökonomischer oder politischer Provenienz wurden nicht einbezogen, weil man ohne Rücksicht auf Realitäten strikt der reinen Lehre des Klimaschutzes huldigte. Gleichwertige technische Lösungen wurden zugunsten der Wärmepumpentechnologie in den Hintergrund gedrängt, obwohl z.B. Erdgas, Wasserstoff oder Holzpellets als gleichwertige Heizungsmethoden infrage gekommen wären. Dieses eindimensionale Vorgehen auf der Grundlage einer Ideologie, die selbstgewiss angeblich Alternativloses vorschreiben will, musste scheitern. Jedes Gesetz benötigt im Großen und Ganzen die Akzeptanz der Bevölkerung. Sie war mit diesen absoluten Vorgaben und diesem zeitlichen Druck nicht zu erlangen. Hinzu kam, dass die Einbauvorschrift mit einer erheblichen, jäh vorgeschriebenen Finanzierungslast verbunden war, die mancher Hausbesitzer überhaupt nicht stemmen könnte. Zudem wurden die realen Möglichkeiten der Heizungsbranche gänzlich negiert. Ein Gesetz mit strikten Vorgaben, die auch ein williger und finanziell potenter Hausbesitzer mangels verfügbarer Fachkräfte und Geräteangeboten gar nicht erfüllen kann, stößt regulativ ins Leere und wird letztlich zum Symbolgesetz, das guten Willen zeigt, jedoch in der Wirklichkeit nichts ändert. Die Demokratie verlangt für Gesetzentwürfe einen öffentlichen Diskurs unter Einbezug aller relevanten Meinungen. Ein rascher Durchmarsch, der dieses Bedürfnis nach öffentlicher Diskussion und die damit verbundene Erwartung, letztlich zu einer ausgewogenen Lösung zu gelangen, überrollen will, zeigt die Einseitigkeit seines Ansatzes und wird von der öffentlichen Meinung zu Fall gebracht. Es war dieses Vorgehen, das dazu führte, das Gesetzgebungsverfahren anzuhalten.
Wie kann es nun weitergehen? Eine für alle akzeptable Lösung muss gefunden werden, denn der Klimaschutz muss auch die private CO2-Emission zurückdrängen. Eine erweiterte Härtefallklausel kommt dafür nicht infrage, denn derartige Vorschriften sollen nur atypische Fälle lösen, können jedoch nicht zu eng geratene Vorschriften umfassend korrigieren. Finanzhilfen für Hausbesitzer bieten ebenfalls keine Generallösung, denn sie greifen nur punktuell nach Maßgabe ihrer Vermögensverhältnisse. Ein erster demokratisch unerlässlicher Schritt wird es sein, wieder in das demokratische Verfahren der Gesetzgebung ohne Zeitdruck einzutreten. Verbände, Interessierte und die öffentliche Meinung sollten hier wieder hinreichend zu Wort kommen. Materiell muss sich der Gesetzentwurf auch den gegenläufigen Interessen stellen und sie in Konkordanz mit dem Klimaschutz bringen. Das Klimaschutzziel ist nicht rücksichtslos durchzusetzen, sondern sorgfältig mit den Belangen von Handwerk, Industrie und Hausbesitzern abzuwägen. Ferner muss das Gesetz sich für andere Vermeidungstechniken öffnen; eine Konzentration auf Wärmepumpen ist zu eng. Zuletzt ist zu berücksichtigen, dass sich die Vermeidung von CO2-Emissionen in privaten Haushalten durch eine einzige, unterschiedslos für alle verbindliche Vorschrift schwerlich durchsetzen lässt. Die Umstände des einzelnen Falls sind dafür zu unterschiedlich. Altbauten müssen anders ausgestattet werden als ein Neubau. Gebiete mit Fernwärmeversorgung können die Anforderungen an den Klimaschutz auf andere Weise als durch Wärmepumpen erfüllen. Wo andere Heizungstechniken möglich und billiger sind, müssen sie schon aus dem rechtlichen Grund des mildesten Mittels zugelassen werden. Statt eines „Federstrichs“ des Gesetzgebers, der das Problem restlos lösen will, ist ein Eingehen auf lokale Gegebenheiten angebracht. Das Gesetz sollte zwar seine grundsätzliche Zielsetzung behalten; die dafür notwendige Umsetzung darf aber nicht in eine einzige favorisierte Maßnahme münden. Letztlich wird der Vorschlag, die Kommunen sollten für ihr jeweiliges Gebiet parzellenscharfe Lösungen vorschlagen, die alle Gegebenheiten vor Ort berücksichtigen, wohl der beste sein. Das in Aussicht gestellte „Wärmeplanungsgesetz“ weist hier wohl den richtigen Weg, denn es setzt das unveränderte Klimaschutzziel unter Berücksichtigung des Einzelfalls ökonomisch und sozialverträglich durch. Klimaschutz ist nicht durch den großen Wurf einer einzigen Vorschrift, sondern nur im beharrlichen Durchforsten und Entscheiden der Einzelfälle zu erreichen.
Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof,
Vizepräsident des BVerfG a.D. und Mitherausgeber von KlimaRZ

Weitere Produktinformationen

Erscheinungsweise
10 Ausgaben im Jahr
Typ Zeitschrift

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