Aus Anlass der von der Kommission angestoßenen neuen Leitlinien zu Art. 102 AEUV präsentiert die vorliegende Untersuchung erstmals eine umfassende und systematische Auswertung aller 257 zu Art. 102 AEUV (sowie den Vorgängervorschriften) ergangenen Entscheidungen der Unionsgerichte. Die computergestützt gewonnenen Befunde erlauben neue Einsichten zur Art. 102-Entscheidungspraxis. So ist die Zunahme prozeduraler Vorgaben Ausdruck eines (kontinuierlichen) procedural turn der Unionsgerichte. Vor diesem Hintergrund erschließt sich wiederum die (bisweilen als zu umfassend kritisierte) Sachverhaltsermittlung der Kommission als der Versuch, ihre Art. 102-Entscheidungen rechtsmittelfest abzusichern. Auch neue Leitlinien müssen dem prozeduralen Möglichkeitsraum hinreichend Rechnung tragen.
Die Online-Werbung hat sich im Zeitraum einer Generation zu einem zentralen Wirtschaftszweig entwickelt. Das rasche Wachstum einiger weniger Anbieter, das Hervortreten vermachteter Marktstrukturen und ein wachsendes Bewusstsein für die Datenwirtschaft haben das Bundeskartellamt 2018 dazu bewogen, eine Sektoruntersuchung einzuleiten. Der Diskussionsbericht vom August 2022 und der Abschlussbericht vom Mai 2023 beendeten die Sektoruntersuchung zu einem Zeitpunkt, an dem § 19a GWB und der Digital Markets Act bereits in Kraft getreten waren und die 11. GWB-Novelle zusätzliche Eingriffsbefugnisse für das Bundeskartellamt einführte. Dieser Beitrag diskutiert die Erkenntnisse aus der Sektoruntersuchung und fragt, was von der bisher längsten Untersuchung für die nationale Kartellrechtspraxis bleibt.